Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten für Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu begreifen. Mitarbeiter sind – entweder – einfach Ausführende einer Arbeitsleistung und ordnen dabei sich und ihre Bedürfnisse der Arbeitsaufgabe und ihrer Struktur unter. Oder Arbeit wird – stattdessen – auch als eine mögliche Form der Entfaltung und Persönlichkeitsentwicklung für Mitarbeiter verstanden. In dieser humanistischen Perspektive passt sich also der Mensch nicht den Arbeitsstrukturen an, sondern es wird nach Arbeitsstrukturen gesucht, die in der Lage sind, zentrale menschliche Bedürfnisse (mit) zu befriedigen, sodass Arbeit neben ihrem wirtschaftlichen Zweck gleichzeitig auch entwicklungsfördernd ist (siehe z.B. den Blogbeitrag über psychologische Grundbedürfnisse). Für diese humanistische Perspektive sind Teamidentität und Führung Schlüsselfaktoren. Und um diese Faktoren sollte es in der Teamentwicklung immer auch gehen.
Zufriedenheit und Motivation und ihr Zusammenhang mit Leistung
Es existiert eine Reihe interessanter wissenschaftlicher Untersuchungen zur Funktionsweise sozialer Gruppen und zur Zufriedenheit der Gruppenmitglieder. Auch wenn diese Untersuchungen niemals der Komplexität realer sozialer Gefüge absolut gerecht werden können, liefern sie wertvolle Hinweise auf die Bedingungen, die Mitarbeiter:innen motivieren, leistungsfähiger und zielorientierter zu sein und dabei mehr innere Stimmigkeit mit ihrer Arbeit zu verspüren.
Daher gebe ich nachfolgend einen Überblick zu wesentlichen Ansätzen, die ich für mein Coaching berücksichtige – und welche Bedeutung sie bei Team– und Individualcoaching für Unternehmen haben.
Hogans Sozioanalytische Persönlichkeitstheorie
Die Sozioanalytische Persönlichkeitstheorie geht von der evolutionspsychologischen Grundannahme aus, dass unsere psychologischen Bedürfnisse stark von dem Ziel geprägt sind, ein integrativer und produktiver Teil einer Gruppe zu sein. Diese Gruppenzugehörigkeit sicherte im Laufe unserer Entwicklungsgeschichte unseren individuellen Fortbestand. Aus dieser Perspektive konnte Hogan zwei zentrale Bedürfnisse ableiten: „To get along“, also das Bedürfnis nach Zuwendung, Akzeptanz und Beachtung. Und „to get ahead“, also das Bedürfnis nach Einfluss und Status in der Gruppe. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse sicherte unsere Bedeutung für die Gruppe und ist in der modernen Arbeitswelt grundsätzlich in der Lage, die Arbeitsleistung vorherzusagen.
Das Bedürfnis nach Akzeptanz korrespondiert dabei eher mit Kooperationsverhalten und das Bedürfnis nach Status eher mit Aufstiegswillen.
Dieser Zusammenhang ist grundsätzlich erwartbar. Hogans Sozioanalytische Theorie erlangt für das Thema Teamentwicklung und Coaching jedoch zusätzliche Relevanz: Denn hohe Ausprägungen der beiden Bedürfnisse können nur dann positiv mit der Arbeitsleistung korrespondieren, wenn sie durch geeignete soziale Kompetenz auch in effektives Handeln umgesetzt werden können. Zum Beispiel kann ein hohes Bedürfnis nach Status und Einfluss also nur dann in einen Unternehmensaufstieg resultieren, wenn die Person über die Fähigkeiten verfügt, soziale Situationen richtig zu lesen und angemessen damit umzugehen.
Sozial kompetentes Handeln bedeutet konkret die Fähigkeit, sich in die Lage anderer zu versetzen, Standpunkte von unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und entsprechend mit den Gruppenmitgliedern zu kommunizieren („political skill“).
Ist eine Person nicht in der Lage, sozial kompetent zu handeln, dann kann der Zusammenhang zwischen Aufstiegs-Bedürfnis und Arbeitsleistung sogar negativ ausfallen!
Die empirischen Daten dazu lassen sich aus den nachfolgenden Grafiken ablesen.
Im Übrigen: Mit der von mir angebotenen PSI-Diagnostik lassen sich Persönlichkeitsstile, Motive und Selbststeuerungskompetenzen verlässlich testen und damit wertvolle Rückschlüsse zu den Bedürfnissen und sozialen Kompetenzen von Bewerbern und Bewerberinnen ziehen.
Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie
Herzberg befragte in den 1950ern Angestellte nach Ereignissen und Bedingungen bei ihrer Arbeit, die sie außergewöhnlich zufrieden oder außergewöhnlich unzufrieden machten. Aus den Ergebnissen entwickelte Herzberg die Zwei-Faktoren-Theorie: Nach seinen Erkenntnissen gab es Bedingungen, die eher kontextueller Natur sind und somit extrinsische Motivation hervorrufen können. Werden diese Bedingungen nicht befriedigend erfüllt, führen sie zu Unzufriedenheit. Sie erzeugen jedoch keine ausdrückliche Zufriedenheit, falls sie erfüllt werden, sonder eher eine Art Nicht-Unzufriedenheit. Sie motivieren demnach nicht zur Arbeit, sondern verhindern Demotivation. Aus diesem Grund werden sie, analog zur Medizin, Hygienefaktoren genannt. Hygienefaktoren produzieren, wenn sie eingehalten werden, keine Gesundheit, aber sie können Krankheit verhindern. Beispielbereiche, in denen Bedingungen vornehmlich als Hygienefaktoren wirken, sind:
- Unternehmenspolitik/Verwaltung
- Fachliche Überwachung
- Arbeitsbedingungen
- Sicherheit der Arbeitsstelle
- Einfluss auf das Privatleben
Zum anderen gab es jedoch Bedingungen, die geeignet waren, explizit Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zu erzeugen. Dabei handelt es sich um Faktoren inhaltlicher Natur, die überwiegend mit intrinsischer Motivation korrespondieren. Herzberg nannte diese Faktoren aufgrund ihrer motivierenden Wirkung Motivatoren. Zu ihnen zählen z.B. Bedingungen aus den Bereichen:
- Leistung und Erfolg
- Wertschätzung und Anerkennung
- Arbeitsinhalte
- Verantwortung
- Wachstum und Entwicklung
Motivation und Führung
Zur Frage, wie Führung funktioniert und welche Art der Führung effektiv ist, existieren sehr unterschiedliche Konzeptionen, die sich teils deutlich unterscheiden. Eine häufig getroffene Grundunterscheidung ist jedoch jene zwischen einer aufgabenorientierten und einer mitarbeiterorientierten Führungsdimension.
Die aufgabenorientierte Dimension fokussiert Aspekte wie Zieldefinition, Leistungsmotivation, Kontrolle und Beaufsichtigung. Die mitarbeiterorientierte Dimension fokussiert hingegen Wertschätzung, Offenheit und Zugänglichkeit gegenüber den Mitarbeitern.
Die zwei dominanten Modelle, die diese Dimensionen gut repräsentieren, sind das transaktionale und das transformationale Führungsmodell.
Die Grundlage der transaktionalen Führung ist ein sachlicher Austauschgedanke: Auf Basis einer klaren, operationalen Zieldefinition verrichten Mitarbeiter:innen ihre Arbeit und erhalten im Austausch dafür einen Lohn oder auch Lob oder Tadel. Dabei sind Rollen und Befugnisse klar definiert und es erfolgen entsprechende Verhaltenskorrekturen durch Vorgesetzte bei Abweichungen von den Zielen. Psychologisch basiert dieses Führungskonzept also auf dem lerntheoretischen Prinzip der Verstärkung durch kontingente Belohnung und „Bestrafung“. Die Arbeitsmotivation wird somit extrinsisch angeregt.
Transformationale Führung ist hingegen weniger formalisiert, sondern fokussiert mehr die Persönlichkeit der Führungsperson. Sie basiert auf den Säulen Charisma (Respekt für das Vorbild), inspirierende Motivation (Sinngebung, Teamgeist, Vision, Werte), intellektuelle Stimulation (Atmosphäre von Kreativität und Innovation) und individuelle Wahrnehmung (zugewandte und empathische Rolle als Mentor und Coach).
Je besser transformationale Führung gelingt, umso höher ist die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden. Anstelle von materiellen Bedürfnissen wie bei der transaktionalen Führung, werden hier Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung angesprochen.
Empirische Daten zeigen, dass gelingende transformationale Führung zu deutlich mehr Zufriedenheit, Anstrengungsgrad und Leistung der Mitarbeitenden führt als transaktionale Führung.
Teamidentität und Teamentwicklung
Die hier geschilderten Konzeptionen lassen erkennen, dass eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen zu mehr Motivation und damit zu mehr Leistung führt.
Auch bezüglich der Bedingungen für eine höhere Zufriedenheit zeichnen die Modelle ein eindeutiges Bild:
Menschen brauchen Wertschätzung und Anerkennung, Wachstum und Entwicklung, soziale Kompetenzen, Sinn und Visionen, Identifikationsmöglichkeiten und wollen im Rahmen ihrer Kompetenzen Verantwortung übernehmen.
Was genau hat das aber jetzt aber genau mit Teamidentität und sozialer Identifikation zu tun? Vivian Vignoles (“Identity: Personal and Social”) hat beispielsweise die Motive aufgezeigt, die dafür ursächlich sind, dass Menschen sich mit Gruppen identifizieren. Die insgesamt sechs Identitätsmotive lassen sich zusammenfassen als ein Streben nach:
- Wertschätzung
- Unverwechselbarkeit
- Zugehörigkeit
- Bedeutung
- Kontinuität
- Wirksamkeit
Will man hingegen den Grad der Identifikation mit einer Gruppe psychologisch messen, lässt sich dafür auf das 3-Faktoren Modell von James Cameron (“A Three-Factor Modell of Social Identity”) zurückgreifen. Mit diesem Fragebogen werden folgende Faktoren gemessen:
- Zentralität, bei der getestet wird, wie hoch die kognitive Präsenz der Gruppe beim Individuum ist,
- Affekt, bei dem getestet wird, wie die emotionale Qualität der Gruppenmitgliedschaft ist,
- Bindung, bei der getestet wird, wie hoch das Zugehörigkeitsgefühl ausgeprägt ist.
Menschen identifizieren sich also mit denjenigen Gruppen (Arbeitsteams, Unternehmen, Sportteams, …), die eine Befriedigung ihrer Identitätsmotive erwarten lassen. Dies sind aber genau jene Faktoren, die eine hohe Zufriedenheit und damit Einsatzmotivation bedingen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das übergeordnete Ziel einer Teamentwicklungs-Maßnahme immer darin besteht, die Teamidentität zu schärfen und die Teamidentifikation zu fördern. Als alleinige Motivation für eine Team-Maßnahme ist das aber natürlich zu wenig. Dafür sollten immer konkrete Anlässe und Ziele zwischen Teamleitung und Coach definiert werden. Einige Beispiele für Anlässe und Ziele habe ich in der Beschreibung zu Teamentwicklungs-Maßnahmen aufgeführt.
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