Was brauche ich eigentlich? Geld, Macht, Ruhm? Ein schönes Auto, einen tollen Job, einen großartigen Partner? Freiheit, Anerkennung, Sicherheit? Was brauche ich eigentlich, um … ja, um was genau? Um glücklich zu sein? Um stimmig leben zu können? Um Erfolg zu haben? Was ist jetzt Mittel, was ist Zweck, was folgt aus was?
All dies sind Fragen, denen man sich annähern kann, wenn man sich mit den psychologischen Grundbedürfnissen auseinandersetzt. Wie die Bezeichnung schon aussagt, sind diese Bedürfnisse einerseits psychologischer Natur – es geht also nicht um physische Bedürfnisse, auch wenn ich der letzte wäre, der beides vollkommen getrennt betrachten möchte – und andererseits handelt es sich um grundlegende Bedürfnisse – also Bedürfnisse, die wir alle haben, auch wenn sie individuell unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Umkehrschluss kann man gut und gerne davon ausgehen, dass es durchaus gravierende Folgen haben kann, wenn diese Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden. Dies gilt nicht nur aber insbesondere für die Zeit der Persönlichkeitsentwicklung, also für die Kinder- und Jugendzeit.
Ich wage mal zu behaupten, dass die Psychologie keine „harte“ Wissenschaft ist, also Ursache und Wirkung nicht so zwingend und unmittelbar miteinander zusammenhängen, wie wir es z.B. in den Naturwissenschaften gewohnt sind. Das macht die Psychologie natürlich nicht falsch – sie ist schlicht deutlich komplexer als andere Wissenschaften. Psychologie hat daher auch immer etwas mit Perspektive zu tun, also mit der „Schule“ aus der man kommt. Daher existieren auch unterschiedliche Konzeptionen in Bezug auf Grundbedürfnisse. Ich werde in loser Folge jene vorstellen, auf die ich gerne zurückgreife und hier und da tiefer einsteigen.
Beginnen möchte ich mit der vermutlich unumstrittensten Konzeption, die von Klaus Grawe stammt. Sie umfasst die vier Grundbedürfnisse:
- Kontrolle/Autonomie
- Selbstwerterhöhung/-schutz
- Bindung
- Lust/Unlust
Kontrolle bzw. Autonomie lässt sich am besten als das Bedürfnis verstehen, individuell wichtige Aspekte der Umwelt durch zielgerichtete Handlungen im eigenen Sinne verändern zu können. Natürlich sind diesem Bestreben Kompetenzgrenzen gesetzt, da wir einerseits alle in einem sozialen, uns beschränkenden Kontext leben und gleichzeitig manche Dinge für Menschen einfach unmöglich sind. Dennoch ist es für jeden von uns wichtig, sich als ausreichend kompetent und selbstwirksam und damit als Gestalter des eigenen Lebens zu erleben. Wiederholtes und dauerhaftes Erleben von Machtlosigkeit angesichts unbeeinflussbarer Ereignisse kann daher zu Gefühlen von Hilflosigkeit, Unsicherheit und Ausgeliefertsein führen.
Gelingt uns die aktive Gestaltung unseres Lebens, ist das sehr eng mit unserem Selbstwert verknüpft. Jeder Mensch hat das Bedürfnis als gut und richtig wahrgenommen zu werden und Situationen zu vermeiden, in denen eine Herabsetzung des Selbstwertes befürchtet werden muss. Gleichzeitig ist es nicht immer einfach, die Quellen unseres Selbstwertgefühls auseinanderzuhalten: Bekomme ich positive Rückmeldungen für das was ich tue? Oder für das was ich bin? Strebt mein Handeln danach, von außen Anerkennung zu erhalten und mich damit abhängig vom Urteil anderer zu machen? Oder bekomme ich die Rückmeldung, genau so gut und richtig zu sein, wie ich bin, unabhängig von meinem Handeln? All dies lässt sich nicht losgelöst von Fragen der Identität betrachten und ist darüber hinaus offenbar unmittelbar an unsere Beziehungen zu anderen Menschen geknüpft.
Diese Beziehungen zu haben, befriedigt unser Bedürfnis nach Bindung. Wir alle sind soziale Wesen, die schon aus praktischen Gründen im Verband mit anderen Menschen leben und auch leben wollen. Denn ein Leben lässt sich nicht allein meistern. Dabei achten wir darauf, ob die jeweilige Bezugsperson vertrauenswürdig und mir wohlgesonnen ist, oder ob sie vielleicht Konkurrenz darstellt oder mir gegenüber sogar arglistig handelt. Ist das Bedürfnis nach Bindung nicht befriedigt, tendieren wir dazu, uns einsam und ausgegrenzt zu fühlen.
Schließlich streben wir alle danach, Lustgefühle zu empfinden und negative Emotionen möglichst zu vermeiden. Dabei erfüllen diese Lustgefühle einen Selbstzweck, sie sind als solches genau das, was wir anstreben oder vermeiden. Dazu zählen auf der positiven Seite Emotionen wie z.B. Freude, Stolz und Begeisterung und auf der negativen Seite Emotionen wie z.B. Angst, Scham oder Enttäuschung.
Häufig spüren wir unbefriedigte Grundbedürfnisse nicht unmittelbar, sondern eher an den „Kosten“, die dieser Mangel verursacht. Erleben wir z.B. unbefriedigende Beziehungen, ist also unser Bindungsbedürfnis nicht ausreichend befriedigt, versuchen wir diesen Mangel möglicherweise durch möglichst viele, aber nicht tiefgehende Kontakte, in denen wir zu viele Kompromisse eingehen, zu kompensieren. Oder wir streben mit aller Macht und ohne Rücksicht auf unsere Energiereserven nach beruflichem oder sportlichem Erfolg, da wir nie herausgefunden (oder erlebt) haben, was es genau ist, was unser Selbstwertgefühl tatsächlich erhöht. Oder wir flüchten ständig aus Beziehungen, da wir durch Beziehungen – vielleicht biografisch bedingt – unser Autonomiebedürfnis unangemessen bedroht sehen. Dann müssen wir mit den Folgen dieser Handlungen zurechtkommen, die häufig zu Erschöpfung und Frustration führen.
Aus meiner Sicht besteht ein wichtiger Schritt zur Auflösung dieser beschriebenen Problematiken darin, ihren Ursprung zu erkennen. Das geht meist nicht „einfach so“, sondern erfordert Achtsamkeit und durchaus die Bereitschaft, eine Reise ins eigene Innere anzutreten.
Im Übrigen korrespondieren die hier beschriebenen Grundbedürfnisse eng mit unseren Motiven, die ich in dem Blogbeitrag über Motive im Kontext von Mannschaftssport erläutert habe. Bewusste und unbewusste Motive und deren Diskrepanz lassen sich durch die PSI-Diagnostik testen!
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